K.-Ludwig Schleicher 2000 - Toni Scheubeck, Bildhauer und Zeichner

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K.-Ludwig Schleicher 2000

Texte

Der Bildhauer Toni Scheubeck
Eröffnungsrede anläßlich seiner Ausstellung
in der Galerie Hartl & Hermenau, Holzkirchen am 5. Mai 2000

Als ich vor mehr als 10 Jahren in der damaligen Münchener Galerie Bea Voigt im Rahmen einer Gruppenausstellung von Steinbildhauern den Steinen von Toni Scheubeck zum ersten Mal begegnete, war ich davon besonders beeindruckt:
Ich erlebte an ihnen gleichzeitig ihre naturhafte “Gewachsenheit” und gewissermaßen ihre “Entfaltung unter einer künstlerisch einfühlsamen Menschenhand. Die Steine schienen geblieben zu sein, was sie im wesentlichen waren, und trotzdem empfand ich sie wie erwacht, irgendwie zu ihrer vorgesehenen Bestimmung gebracht.
Einen ähnlich bedeutungsvoll gemischten Eindruck hatte ich immer, wenn ich Abbildungen von zen-buddhistischen Kiesgärten aus Japan ansah, oder die Steinsetzungen in Stonehenge. Mich faszinierte jedenfalls damals spontan die künstlerische Haltung aus Respekt und fast priesterlicher Sinngebung von diesem Toni Scheubeck so sehr, dass ich ihn kennen lernen wollte. Das ist dann auch einige Zeit später möglich geworden, ich konnte mich mehr und mehr mit seiner Arbeit vertraut machen und seine Anliegen noch besser verstehen. Deshalb lassen Sie mich, meine Damen und Herren, vorhin Angedeutetes ein wenig weiter ausführen:
Zunächst:
Toni Scheubeck ist ein Bildhauer im wörtlichen Sinne. Das versteht sich nicht von selbst. In der Kunst unserer Tage umspannt die Kategorie Bildhauerei ein irritierend vielgestaltiges Feld dreidimensionalen Ausdrucks, in dem sich die klassischen Werkstoffe und Werktechniken mischen und durch ganz Neuartige ergänzt werden. Die Ausführung liegt nicht selten in fremden Händen.
Toni Scheubeck haut tatsächlich - und zwar fast ausschließlich in Handarbeit. Und noch etwas: es scheint, als brauche er den Widerstand, das Ringen, den körperlichen Einsatz, den sinnlichen Kontakt, das sich Verdienen der gelungenen Form, vor allem aber braucht er den Stein.
Steinbildhauerei liegt nicht gerade im Trend. Wer sie dennoch betreibt, könnte von gestern sein - oder aber genau spüren, warum er es gerade heute macht. Bei Toni Scheubeck habe ich ziemlich bald gemerkt, wie eng all seine künstlerischen Entscheidungen mit ihm selber zusammenhängen: sein Wohnen und Arbeiten im Bayerischen Wald, das selbst Aussuchen und Abtransportieren seines Materials aus den Steinbrüchen der Umgebung, seine Motive, seine Arbeitsweise......ja, und sein häufiges nicht konform gehen mit Zeitgeist-Trends. Eine entrückte Künstlerexistenz ist er damit nicht. Seine Kunstauffassung ist aktuell: Verzicht auf ambitiöse Themen, dafür redliche, fast forscherische Auseinandersetzung mit dem konkret Vorhandenen, Entwicklung der Form vor allen Dingen - aus dem Material und dem Werkverfahren selber. Damit kann man ihn in einer Reihe nennen mit Nikolaus Gerhart, Alf Lechner, Rudolf Wachter.....
Ich darf das letzt Genannte noch einmal deutlicher herausstellen, ein Hauptaspekt: Charakteristisch für Toni Scheubeck ist sein dialogisches, beinahe symbiotisches Verhältnis zum Stein.
Bitte, meine Damen und Herren, entdecken Sie im Anschluss, in wie vielen Fällen gerade die jeweiligen Besonderheiten eines Steins Anlass und Thema der Arbeit wurden: die naturbelassene Verwitterungshaut und die polierte Oberfläche, die Einschlüsse und Adern, die innere Struktur und die Körnung, und darüber nicht zu übersehen - die Form des Fundstücks selber. Wenn Sie im Katalog die erste Abbildung aufblättern und dann mit den fertigen Arbeiten auf folgenden Seiten später vergleichen, werden Sie verblüfft merken, wie wenig die bereits am Anfang ausgeprägt geformten Rohlinge sich verändert haben und schließlich dann in ihrer Endgestalt.
„Den Kraftströmen im Stein folgen”, „Die Wunden des Steins freilegen”, „Der Zerbrechlichkeit des Steins mit Behutsamkeit begegnen”, sagt er in seinem Katalog. Behutsamkeit, Sensibilität, Demut, Verehrung kennzeichnen grundsätzlich Scheubeck’s Arbeiten. Solche menschlichen und künstlerischen Qualitäten bei Schülern und Studierenden anzuregen, wäre schon ein wunderbarer Zwischenerfolg für einen Kunsterzieher. Bei Toni Scheubeck ist es nur ein Teil, der Anfang sozusagen. Neben die dienende Unterordnung unter die Schönheiten und Geheimnisse der Natur gesellt sich noch ein Anderes, das Selbstbewusstsein und der eigene Ausdruckswille des Künstlers.
Kunst ist künstlich und soll sich als solche zu erkennen geben. Und damit knüpfe ich wieder an meine anfänglich getroffene Feststellung an von der zweifachen Eigenschaft seiner Steine: Gewachsensein und Geformtwerden, Einfühlung und Ausdruckswille. Einzelne hier versammelte Stücke dokumentieren dies geradezu drastisch. Sei es die symbolische Inbesitznahme von Findlingen mit den vergrößerten Fingerabdrücken oder die raffinierte Verdopplung von Weinrebenranken mit Hilfe von Draht. Oder auch die eigenwilligen Interpretationen und Hinzuerfindungen.
„Das Lasten des Steins zum Leichten wenden”, “Die Schwere des Steins in den Auflagepunkt bannen”,”Den Leib des Steins mit Geometrie durchdringen”.
Das Spektrum seiner stets sparsamen künstlichen Eingriffe reicht von die Lebendigkeit steigernden bis zu die Ordnung und Klarheit erhöhenden Maßnahmen. Nehmen Sie den Stein mit den schwellenden Adern hier vorne zum Beispiel. Betrachten Sie den quer zur Ader gespaltenen Rundling mit dem dabei entstandenen Kreuz. Oder den prismatischen Leibstein. Und gelegentlich wird der Umgang mit dem Vorgefundenen so frei, so raffiniert, dass gegebene Verhältnisse umspielt oder sogar umgekehrt werden. Je mehr sich bei Toni Scheubeck der eigenschöpferische Anteil in seinen Arbeiten nun behauptet und durchsetzt gegen das dienende Bewahren, desto mehr kommt Rationalität ins Spiel, Überlegung, Konzeption, Systematik. Das organisch Rhythmische weicht dann mehr dem strenger Metrischen. Ein Widerspruch zu seiner künstlerischen Grundhaltung ist das nicht. Denn das Ausreizen gegensätzlicher Ansätze gehört bei ihm zur Strategie, um die Spannweite künstlerischer Schöpfung zwischen Freiheit und Ordnung auszuweiten und um damit vielleicht in der Summe der vielen Bemühungen ein Gleichnis zu schaffen für Schöpfung überhaupt. Sogesehen könnte man Toni Scheubeck sogar als klassisch bezeichnen.

Ludwig Schleicher

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