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DAS SCHWERE IST DIE WURZEL DES LEICHTEN
oder SATORI IN AMBERG
Ausstellung Toni Scheubeck
Steine, Objekte, Zeichnungen
Luftmuseum Amberg
31.1. – 19.4. 2015
Das Schwere ist die Wurzel des Leichten.
Ein erhellender und gleichzeitig geheimnisvoller Satz, finde ich.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht.
Für mich ist das ein Satz, der blendet und bei aller Klarheit, wenn man ihn begreifen will, vollkommen unklar ist, da macht er einmal mehr das wahr, was Ottfried Fischer gesagt hat:
Schwer ist leicht was.
Bei der google-
Einschub: Die Ausstellung ist in den vier Erdgeschoss-
Verbindendes Stichwort: Schwer und Leicht:
Raum 1.
Betrachten Sie unter diesem Stichwort das Feld aus Draht-
Kunsthistorisch betrachtet steht der Betrachter mit einem Bein im Bereich konkreter Kunst, konkrete Kunst gibt es seit den 1030er Jahren und sie tritt nicht als Spiegel auf, der die visuellen Realität abbildet und aus dem Kristall der Wahrsagerin ist, sie funktioniert anders, sie verwendet die reinen Erscheinungsmerkmale der sichtbaren und haptischen Wirklichkeit wie Farbe, Form, Materialität, Textur, Volumen, Richtung, Größe analog zur Musik als kompositorische Bausteine, die sie in wirkungsvolle Kontrast-
Scheubeck macht mehr. Seine Arbeiten enthalten auch so etwas wie magische Mathematik.
Was sehen Sie? Mit dem inneren Auge.
Achten Sie auf ihre Körper-
Leicht, schwer.
Was sehen Sie, nebenan, in Raum 2, wenn Sie in dem Zusammenhang die Serie der Draht-
Zurück zu den Begleitsätzen: Die Stille ist der Unruhe Herz. Die Ruhe ist der Meister der Bewegung. Gegensätze ziehen sich an, sagt man als Trost, wenn es in der Beziehung schwer rumpelt und man es miteinander nicht leicht hat, wenn jeder nach dem Bild des anderen geschaffen sein soll.
Gegensätze, das wären hier Schwer und Leicht.
Das „Wurzeln" aber, was heißt das, wie geht das?: Ist das die Auflösung der Gegensätze? Durch Anziehung, durch Abstoßung?
Endet das dann in der Verschmelzung, in der Zertrümmerung ... in der Akzeptanz des Verschiedenen, in der Freiheit, die ein Gefangensein aus sich heraustreibt? Wie kommen wir dahin? Und was hat das mit den Exponaten zu tun?
Die Titel-
Meint er Chaos und Ordnung, Krieg und Frieden?, wie der Westmensch sagt. Begriffe, die dem Europäer nach 70 Jahren Frieden heute seltsam abstrakt anmuten.
Wie die Zeit vergeht.
Nie wieder Krieg!
Waren die Weltkriege nicht schwer genug, um darin nicht für alle Welt ewigen Frieden wurzeln zu lassen?
Wilhelm Koch, der Luftmuseums-
Die Ausstellung zeigt Arbeiten aus den 1980er Jahren bis heute.
Laotse ist nicht mehr zu fragen. Er ist längst 70 jährig, wie Bertold Brecht in seinem Gedicht über die Entstehung des Buches Taoteking schreibt, in Begleitung eines Knaben im Gebirge verschwunden.
Dort stößt er auf einen Zöllner, der
„ in einer heitren Regung" .. den Knaben .. "
Fragte ...: "Hat er was rausgekriegt?"
Sprach der Knabe: "Dass das weiche Wasser in Bewegung
Mit der Zeit den mächtigen Stein besiegt.
Du verstehst, das Harte unterliegt."
Gerne! Sagte ich und dachte mir nichts. Intuitiv scheint Laotses Aussage sofort klar, hier scheint große Lebenserfahrung auf den Punkt zu kommen, dem nichts hinzuzufügen ist, doch dieser Punkt, dieses Signifikat, das der Satz bezeichnet, liegt leider jenseits unseres rational-
Allez!
Dorthin, ins Paradoxe, entführt uns asiatische, aber auch europäisch mystische Weisheit gerne.
Wir sollten jetzt also über Dinge sprechen, über die man nicht sprechen kann. Schweigen also, aber: wie lange? Schauen!
Merken wir uns eines vorweg. Das wissen wir auch so. Im Schweigen und in der Ruhe des Schauens kommt die Zeit zu Wort, sie spricht in unserem Körper-
Das Schweigen der Steine, das Schweigen unseres Körpers ist beredt, die Bewegungslosigkeit der Steine ist nur scheinbar, der Physiker spricht hier von potentieller -
Die Steine erinnern sich, sie sagen etwas voraus.
Überall, wo man sie findet, sagen sie einem etwas.
Man sammelt.
„Weil es unermesslich viel Steine gibt," schreibt Adalbert Stifter," so kann ich gar nicht voraussagen, wie groß diese Sammlung werden wird."
Scheubeck und Koch kenne ich seit mehr als 20 Jahren, als Ausstellungsmacher des Kunstverein Weiden habe ich mit beiden immer wieder zu tun, für mich als Sucher einer originär regionalen Kunst in der Oberpfalz, die werk-
Toni Scheubeck wurde 1948 in Arnschwang in der Oberpfalz geboren, seine Eltern hatten einen Kolonialwaren-
Die Mutter habe ich noch kennengelernt, die freundliche schmale Gestalt im schmalen dämmerigen Flur, der Licht durch das Fenster in der Tür zum Gärtlein erhielt.
Die Tochter ist aus dem Haus ...
... und da sind die vielen Steine, kunstvoll geordnet breiten sie sich in all den leer gewordenen Räumen aus, dazu die Holzarbeiten, die Objekte, die Zeichnungen, die Drähte, darunter die alten Holzdielen und darüber seit ein paar Jahren ein Aufbau, ein schräg gegen den Unterbau versetzter und wie ein Flügel gestreckt überkragender Quader, der mich auch an das berühmte Wasserfall-
Toni Scheubeck studierte an der Akademie der Bildenden Künste bei Zacharias, begegnet bin ich ihm aber im Kreise der Raimer-
Seine Identitäts-
Erst ab einer bestimmten Verweil-
Scheubeck blieb auch außerhalb der Akademie in diesem Kreis und fand dort zur Bildhauerei, eine besondere Einfluss-
„An uns Bildhauer selber gedacht, ist es so, dass wir durch die Erfahrungen von St. Margarethen, durch dieses Hinausgehen in den Freiraum – in den Steinbruch, auf die Wiesen – wieder frei wurden. Um dieses Freiwerden oder Freidenken in einem ganz weiten Sinn ging es. Für uns Bildhauer ist der Stein das Mittel, um zu diesem Freidenken zu kommen – zum Freiwerden von vielen Zwängen, Engen und Tabus."
Scheubeck war von 1975 bis 2010 Kunsterzieher am Josef-
Als ich mir die Laotse-
Nachdem ich mich ein Stück durchgekämpft hatte, gab es so etwas wie eine geistige Explosion, wow, war das jetzt das Satori, die Erleuchtung?! Da entstand vor meinem geistigen Auge die Totale, die Weite, ich atmete durch, da war das Bild des Parkstein, echt geil! Ein Bild von etwas Hohem und Tiefem, das als Real-
Da war die Bergschwere, die Luft-
Da stellte das Sinnen-
Ewigkeit war im Leben erfahrbar geworden, im Jenseits der unzähligen Berggipfel und nicht im Jenseits des Todes.
Die unbegreifbare Größe Gottes und das mathematische Regelmaß seiner Gesetze, das sich in der Perspektive auftat, wurden im Augenschein unmittelbar fassbar. Das Wort, das Gesetz, das Über-
Das war Petrarca 1336, wir schreiben das Jahr 2015.
Der große schwere, schwarze Basaltkegel, das markante Oberpfälzer Stück Erdgeschichte, das Alexander von Humboldt als schönsten Basaltkegel europaweit bekannt gemacht hat, ragt in den Luftraum, oben mit sozusagen himmlischer Liftstation, einem Kirchlein.
Und langsam dämmert mir: wie der Parkstein in seiner Erlebnis-
"Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."
Jawohl, das Gesetz, und die beispielhafte, verifizierende Anschauung: die basaltene Dunkelheit der Nacht, die leuchtenden Spritzer-
Einschub: Betrachten Sie in diesem Zusammenhang die Steingruppe in Raum 1 und das Sand-
Entsprechendes lässt in Raum 1 die Steingruppe erkennen, an der die Horizontale eines Wasserstands sichtbar zu werden scheint.
Die homogenisierende Kraft der Gravitation fügt die einzelnen Turbulenzen der Vielheit, das heißt der Tropfen, der Sandkörner, der Moleküle, der Atome, fügt sie zur Ganzheit, fügt sie ins dynamische Gleichgewicht.
Beachten wir ebenfalls die Basalt-
Der Glanz der Sternbildern ist der Glanz des ordnenden Geistes, der dem Menschen den Weg leuchtet, über die Daseins-
Der zweite auf der Bergtour ist der Mystiker Jakob Böhme, der hatte zu seiner Zeit noch etwas Anderes als das Andere gesehen: Der spürt, wie das Schwere, Körperhafte, Zeitliche zurück bleibt auf der Erde, aber während allerhöchst oben im Himmel die Seelen frohlocken, singen die Dinge auf Erden in einer nicht für jeden hörbaren Zeichen-
Und in der vorchristlichen Sicht -
Der vierte ist Paul Cezanne, der Maler des Gebirgszuges St. Victoire in der Provence. Bei seinen Beobachtungen der visuellen Welt in einer Mal-
Was bedeutet das?
Es bedeutet, dass sich die Wahrnehmung bei der Wahrnehmungsarbeit selber zusieht. Wenn sie uns die Welt zusammenbaut, guckt sie in den Welt-
Wir haben immer mehr im Blick, als wir denken, auch den Blick selber, wenn wir nur einmal daran denken würden, daran zu denken.
In diesem Sinne zeigt die Ausstellung Denk -
Zurück auf den Gipfel des Parkstein.
Hier im Großen wiederholt sich das, was Toni Scheubecks künstlerisches Setting im Kleinen und was die innere Struktur seiner Kunstwerke ausmacht.
Zum einen ist es natürlich der Stein, heimischer Basalt, den er oft verwendet, allerdings nicht vom Parkstein, der ist ein Natur-
Die Spiegelbildlichkeit des Großen, des kosmologischen Zusammenhangs, die er sieht, sieht man ihnen kaum an: Er sieht und, indem er die Steine häufig zum Teil im vorgefundenen, natürlichen Eigenzustand belässt, lässt er sehen:
Sie sind ein Zeichen, -
Irgendwann, irgendwo ward ein Funke geschlagen, dem das Lebenslicht entsprang und die basaltene Dunkelheit wich und war lesbar geworden. Das liest der Künstler aus den Steinen, wenn er sie aufliest.
Einschub: Sehen sie sich bitte dazu die Gruppe in Raum 1 an. Roh belassene Findlinge, jeweils oben in begrenztem Bereich polierte Rillen, das Bild von Fingerabdrücken, Wachstums-
Die Oberfläche des Roh-
Im Kontext von Scheubecks künstlerischer Idee wird also der Stein nicht nur als spezifisches Material verwendet, mit dem man Häuser baut oder Skulpturen haut und das vom Bildhauer lediglich Material-
Schon auf der Material-
Scheubeck nimmt in seiner künstlerischen Arbeit Bezug darauf, dass jeder seiner Steine eine materielle Manifestation erdgeschichtlichen Werdens und Wirkens ist, er ist uralt, er kann viel erzählen, er ist eine individuelle, eigenwertige Darstellung seiner selbst als Botschafter, der Stein ist so gesehen Ziel gewordene Zeit und Gedächtnisspur auf dem Weg von Erosion und Partizipation, den er vom Modus des Gebirgs-
Und es ist diese gemeinsame Wurzel, die hier künstlerisch inspiriert.
In dieser Anschauung folgt Scheubeck einer Empfindung, die mit Aristoteles geht, der Platons Ideen-
Seitdem der Ur-
Kunst ist hier Wiedererinnerung, Mäeutik, wie Platon sagt, eine Hebammenkunst, sie hilft den Gesetzmäßigkeiten, denen das Dasein entspringt, im menschlichen Bewusstsein zur Erscheinung zu kommen.
... sehr schöne Illustration dieses Gedankens ist die Arbeit „Der Findling" von Timm Ulrichs 1978/80, halbierter Findling, zwischen beiden Hälfte des in der Waagrechten mittig auseinander geschnittenen Steins eine Höhlung, Passform des Körpers des Künstlers, hier liegt er dann, der Künstler, nackt, wie Gott ihn schuf, im Stein als Sinnbild urbildlicher Schöpferkraft, die aus dem Unsichtbaren in die Erscheinung drängt.
Einschub: Bitte dazu die fotografie-
Hier ist explizit das Zeitmoment das künstlerische Motiv. Dazu bitte eine Betrachtung in Raum 3 und 4.
Da haben wir eine Realisation, die Brancusis berühmtem "Ei" aus dem Jahre 1924 entspricht, das den Titel „der Ursprung der Welt" trägt und skulptural als eine in Zeit und Raum getriebene Kugel anzusehen ist, es sind die Draht-
Auch hier das dialektische Fluchten, das Wirken elementarer, den Stoffen immanenter Form-
Das den Dingen von der Natur eingepflanzte Werde-
Und vorausgehend hatte es wohl die Natur selber ermutigt, das dem Stein innewohnende Menschsein zu entbergen.
War vielleicht ein Fehler. Hätte es vielleicht im Stein lassen sollen.
Warum sind wir hier? Darum sind wir hier!
Die Materialien wären demnach nicht bloß toter Baustoff. Sie wären animierende Träger von Bauplan-
Eine für unsere wissenschaftlich und anthropozentrisch orientierte Welt, die sich als ein hierarchisch in Subjekt-
Des Weiteren ist es ein besonderer, erdnaher gestaltkreis-
Um aber die Welt bildende Kraft des Großen im Kleinen wahrnehmen zu können, sei der Mensch schlecht ausgestattet, ähnlich wie bezüglich zum Erdmagnetismus habe er kein Sinnesorgan dafür, stattdessen ein geistiges, wissenschaftlich-
Und das, so erlauben wir uns hier anzufügen, verlangt Achtsamkeit, mentale Erdung und Zeit.
Stein-
Bei Scheubeck ist das gegeben. Schon die Vorbereitungs-
Und im Winter, wenn es im Atelier kalt ist, wird in den anderen, beheizten Räumen gezeichnet.
Der Stein wird gewählt. Es zählt nicht die materielle Qualität, die Lupenreinheit des Materials, das der bildhauerischen Idee normalerweise nur als Projektions-
Der Stein selber ist schon ein Einzelnes im Lebens-
Dazu passen, in mehrfacher Hinsicht.
Er ist Teil der Fundstelle, er ist Teil eines ritual-
Er muss, was seine Größe und Schwere anbelangt, in ein anschaulich fassbares Maß passen. Dieses Pass-
Es schafft Zusammengehörigkeit, Einheit im Gegensatz. Zusammen sind wir stark.
So wurzelt das Leichte im Schweren.
Der Stein ist -
„Jedes Ding hat einen Mund zur Offenbarung".
Damit sagt der Mann des 16. Jahrhunderts nichts, was heute überholt wäre, allemal ist es ein Appell an das Hören-
Der Stein hat sie. Von Anfang an.
Das war`s. Eine lange Rede, danke für Ihre Geduld, nach so langem Stillhalten, tut es gut sich wieder zu bewegen. Vielleicht wollen sie jetzt, in guter Gesellschaft den Berg besteigen, den Parkstein, den Mont Ventoux, die St Victoire, oder in der Wahrnehmung von Scheubecks Steinen das Modell derartiger Berg-
Die geistige Weite, die uns mitunter ein Gipfelblick schenkt, hängt nicht unbedingt von der Zahl der Höhenmeter ab. An den Steinen, die wir dabei auflesen und unserer Sammlung einverleiben, könnten wir in diesem Sinne und im geistesgeschichtlichen Sinn unserer Betrachtung eine neue Qualität entdecken.
Die steinernen Fundstücke sind Abbrüche, Teile, Fragmente, Scherben des Urgestein und ein jedes kommt zu uns wie eine Scherbe der Gastfreundschaft, die Tesera Hospitalis, die der antike Hausherr seinen Gästen als Kenn-
Es ist das Zeichen, dass es einen unverbrüchlichen Bund gibt. Wir gehören dazu, gemeinsam sind wir stark, aber wir sind auch Gäste, Gleiche unter Verschiedenen, das verlangt Toleranz, das ist schwer, in dieser Schwere wurzelt das Leichte.
Jetzt sind wir oben, auf dem Gipfel, in guter Gesellschaft, nicht nur mit Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch mit dem Berg, zu dem wir passen, in Schritt und Tritt, uns wachsen Flügel, schwimmen im Sternenlicht, Satori in Amberg.
Besten Dank für Ihre Begleitung.
Wolfgang Herzer