Zitate 5 - Toni Scheubeck, Bildhauer und Zeichner

Direkt zum Seiteninhalt

Hauptmenü

Zitate 5

Zitate

Stein ist das häufigste Material, das Sie verwenden, obwohl Sie verschiedene Materialien verwenden. Warum? Besitzen die unterschiedlichen Arten des Steins in ihren Augen eine besondere Bedeutung?
Jede Art dreidimensionaler Arbeit erfordert eine gründliche Überlegung der Nachricht, die vermittelt werden soll, und davon abhängig ist die richtige Auswahl an Material, das die Nachricht unterstützen und erfüllen kann. Jede Art des Materials hat seine spezifische Persönlichkeit, seinen Ausdruck, seine Wirkung - die Wärme von Holz, die Würde des Granits, die Weichheit von Marmor, die Trockenheit und Rauheit von Lehm, die Flexibilität und Gleichmäßigkeit der Bronze, das strukturenartige Gesicht des Eisens. Die Eigenart des Steins ist (außer seinem Alter, das manchmal schwer zu bestimmen ist) seine Vielfalt, sein verschiedenartiger Härtegrad, der für seine endgültige künstlerische Form so entscheidend und einflussreich ist. Und dann gibt es seine Fähigkeit den Ausdruck durch seine Konsistenz und Struktur zu betonen - seine verstärkende Fähigkeit, durch seine Färbung die Qualität der Botschaft zu erweitern. Und dann natürlich kann eine falsche Entscheidung alles verderben - die Vielfalt von Farben und Oberflächen ist endlos - und wenn man sich einmal freiwillig mit dem Stein einlässt, hat man gehorsam, entschlossen und kompromisslos zu sein. Ich bedaure, dass ich so spät begann mit dem Stein zu arbeiten - es wird mir so viel verborgen bleiben. Mit Stein zu arbeiten bedeutet solch eine nahe Kommunikation mit der Erinnerung der Erde; meine eigenen Hände und meine eigene Erinnerung  sind es, die dieses Gedächtnis freilegen und ändern, so elementar, so vertraut.
Sie fahren fort damit, an vielen verschiedenen Orten der Welt zu arbeiten, Sie suchen "ihren Stein". Ist das eine übliche Sache unter den Künstlern? Ist es nicht leichter, den Stein zu wählen und ihn heim transportieren zu lassen, wenn man die Möglichkeit hat, ihn zu Hause zu bearbeiten?
Es gibt viele Vorteile neben der Tatsache, dass ich dorthin reise um mit Stein direkt zu arbeiten, wo er herkommt und wo er gebrochen wird. Ich kann vor Ort einen Stein sowohl nach seiner Form als auch nach seinem Charakter wählen; einen Stein , der meiner Vorstellung entspricht - etwa, um dabei die eigene Persönlichkeit des Steines zu entdecken und zu entwickeln, das kann von einem dort viele Male geändert und bestimmt werden. Von Vorteil ist, dass frisch gebrochener Stein ausgesucht werden kann, denn der ist leichter zu bearbeiten. Die Seele des Steins ist dort gegenwärtig, sie ist in der Landschaft, in der Art des Landes - und dadurch kann man das Potential des einzelnen Steins verstehen. Ich bevorzuge es, die Grundarbeit bereits im Steinbruch zu tun - sogar bei kleineren Steinen.
Was ich in meine Werkstatt bringe, besitzt bereits die grobe Form. Jede Art der Bearbeitung bedingt viele technische Probleme, und die Steinbrüche bedeuten für mich nicht nur der Stein allein - es sind die Leute dort, die man trifft, die Steinmetze sind hineingeboren in diese besondere Art des Steins, in den meisten Fällen wuchsen sie damit auf, sie verstehen es perfekt, ihr Rat und ihre Hilfe sind immer praktischer Natur - es gibt immer viel, was man lernen kann. Es kommt nicht von ungefähr, dass der Stein seinen Platz und seine Kraft in all den Ritualen der Welt hat - er besitzt magische und metaphysische Eigenschaften.
Jan Koblasa

Selbst wenn die Welle bei fast ebenem Spiegel nur leise anfährt, hören wir das feine Scheuern, mit dem sie die Steine wendet und nach sich zieht. Kommt es zu Brandung, so folgt dem Aufschlag ein Rollen und Klirren, als schlügen Kugeln auf den Grund. Bei hartem Seegang prallen schwere Blöcke wie bei einer Kanonade an die Riffe und Felsküsten. Während der Winterstürme wird im großen vorgeschüttet; Einstürze und Abbrüche verändern die Strandlinie. ... Der Kiesel, den wir am Strand aufnehmen, mag aus dem Gipfel eines Berges stammen; seine Aderung können wir wiederfinden, wenn wir die Wand eines Schachtes mit der Grubenlampe anleuchten. Ihn haben große und kleine, doch immer wieder kreisende Bewegungen geschaffen, Strudel und Wirbel, wälzende, rollende, drehende Wendungen. Immer wieder sucht dieses Kreisen ein Oval zu bilden; finden wir einmal eine vollkommene Kugel, so betrachten wir sie als Ausnahme. Sie muss entstanden sein, wo das Wasser im Rundgang umtreibt, wie in den Gletschermühlen und Felskesseln.
Wenn wir unseren Kiesel wieder in die See werfen, wird sie ihre Arbeit an ihm fortsetzen, wird ihn auf Größen bringen, die wir als Kies und endlich als Korn ansprechen, wird ihn gar auflösen.
All das sind Worte für Übergänge vom mächtigen Findling bis zum Flusssand, sind Phasen und Formen, in denen die Gesteinswelt erscheinen kann, Metamorphosen kosmischer Mahlgänge. Wir sehen, wie hier abgetragen, dort aufgerichtet wird. Der Sand wird Mörtel und der Mörtel wieder Sand. Hier stürzt die Mauer, und dort wächst sie empor. Beständig im Wesen, wechselt sie die Form. Die Formen sind Fassungen. Der Stein in seinem Wesen, der Stein der Weisen, bleibt unberührt.  
Ernst Jünger, 1966

Natur! Wir sind von ihr umgeben und umschlungen - unvermögend, aus ihr herauszutreten, und unvermögend, tiefer in sie hineinzukommen. Ungebeten und ungewarnt nimmt sie uns in den Kreislauf ihres Tanzes auf und treibt sich mit uns fort, bis wir ermüdet sind und ihrem Arme entfallen. Sie schafft ewig neue Gestalten; was da ist, war noch nie, was war, kommt nicht wieder - alles ist neu, und doch immer das Alte.
Wir leben mitten in ihr und sind ihr fremde. Sie spricht unaufhörlich mit uns und verrät uns ihr Geheimnis nicht. Wir wirken beständig auf sie und haben doch keine Gewalt über sie.
Sie scheint alles auf Individualität angelegt zu haben und macht sich nichts aus den Individuen. Sie baut immer und zerstört immer, und ihre Werkstätte ist unzugänglich.
Sie lebt in lauter Kindern und die Mutter, wo ist sie? - Sie ist die einzige Künstlerin: aus dem simpelsten Stoff zu den größten Kontrasten; ohne Schein der Anstrengung zu der größten Vollendung.  
Johann Wolfgang von Goethe, 1782

„Le Menhir
Wachsendes
Steingrau.
Graugestalt, augen-
Loser du, Steinblick, mit dem uns
Die Erde hervortrat, menschlich -
auf Denkel-, auf Weißheidewegen,
abends, vor
dir; Himmelsschlucht”
Paul Celan

Zurück zum Seiteninhalt | Zurück zum Hauptmenü